Samstag 10. März, 16 Uhr, Kino Freistadt
28 April 1995 AUS LIEBE / FOR LOVE
Brigitte Schwaiger erzählt
ein Film von Michael Pilz
AT 1995/2004, 180 min
in Anwesenheit des Regisseurs Michael Pilz
Moderation: Gisela Schreiner, langjährige ORF- Journalistin und Jugendfreundin Schwaigers
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Ich kenne Brigitte seit etwa 1974. Wir wurden gute Freunde. Ich weiß um ihre Geschichte, natürlich auch um die ihrer Ehe mit einem Angehörigen des spanischen Militärs in den späten 60er–Jahren. Sie hat sie mir oft und ausführlich erzählt und sie hat einige Bücher dazu geschrieben, zuletzt Ich suchte das Leben und fand nur dich, Langen Müller, München 2000.
Jahre vergingen und wir verloren uns wiederholt aus den Augen. Anfang der 90er–Jahre lebte sie in Südböhmen, unweit der Stadt meiner Kindheit. Ich wollte sie besuchen, doch es kam nicht dazu. Erst als sie nach Wien zurückgekehrt war, trafen wir uns wieder. Wir sprachen über gemeinsame Filmpläne. Und sie erzählte von ihrer langen Reise nach Kolumbien und nach Madrid und dass sie versucht hatte, die Geschichte ihrer unglücklichen Ehe ins spanische Fernsehen zu bringen. Doch man hatte ihr nicht geglaubt und ihr unterstellt, als Schriftstellerin sie erfunden zu haben.
Kurz entschlossen nahm ich Ende April 1995 meine kleine Videokamera zur Hand und Brigitte erzählte, in Deutsch, inmitten ihrer gewohnten Umgebung, was geschehen war und wie sie die Dinge heute sieht. Ich saß vor ihr und hielt die Kamera in meinen Händen, ohne besonderen Aufwand, ohne Stativ und jeweils nach etwa 63 Minuten wechselte ich die Videokassetten. Wir hatten den Verlauf des Gesprächs nicht geplant und wie es der Zufall wollte, fand Brigitte am Ende der dritten Kassette auch das Ende ihres Erzählens. Ein paar Tage später machten wir die Aufnahme auch in spanischer Sprache, wobei diese Version Brigitte sehr viel näher zu gehen schien.
Da sich das Österreichische Fernsehen dafür nicht interessierte, überließ ich Brigitte die Videos, im Glauben daran, sie würde sie eines Tages doch noch nützen können.
Wieder verging viel Zeit, wieder gingen unsere Wege auseinander, bis wir uns im Vorjahr zufällig über den Weg liefen. Ich erinnerte sie an unsere Aufnahmen. Sie gab sie mir mit den Worten, „mach daraus, was du willst, ich vertraue dir“.
Kürzlich schrieb sie mir in einem Brief, dass sie die Flucht nach vorne angetreten hatte, um ihre Angst vor dem Mann zu überwinden und dass sie mit Miguel in Madrid mehrmals ausführlich telefoniert und sich schließlich mit ihm doch noch versöhnt hatte. Er hatte ihr darauf hin in mehreren Briefen vorgeschlagen, „wir könnten ins Fernsehen gehen und jeder erzählt über den anderen, wie schrecklich er war“.
Unabhängig davon wollte ich nun unsere Aufnahmen, die in ihrer ursprünglichen Form aufbewahrt worden waren, endlich fertig machen, nicht nur, weil Brigitte und Miguel versöhnt waren, sondern auch weil die Aufnahmen, trotz ihres Alters, sehr lebensnah und berührend sind und über das persönliche Schicksal Brigittes hinausgehend allgemein gültige Aussagen und Wahrheiten darstellen.
So erhielt 28 April 1995 Aus Liebe / For Love vor wenigen Tagen seine endgültige Gestalt. Die Bildauf- und abblenden waren schon während der Aufnahme gemacht worden, sodass ich das Rohmaterial nicht verändern musste. Was heute zu sehen und zu hören ist, wurde genau so damals aufgenommen.
Zuerst dachte ich an Titel wie Ich habe es erlebt, oder an Es gefällt mir, wenn du schweigst, das ist ein Zitat aus einem spanischen Gedicht, oder einfach Luboka, das ist der Berg in Böhmen, von dem Brigitte erzählt und vermutet, dass darunter eine alte, vielleicht keltische Stadt begraben sei. Auch dachte ich an jene Passage ihrer Rede, in der sie davon spricht, wie folgenschwer es sei, wenn Gefühle, Handlungen und Sprache vor allem junger Menschen missachtet oder gar schlecht gemacht werden. In ihrem jüngsten Buch fand ich die Worte, „Ich suchte einmal, ja, ich suchte die Liebe im Kino. Und den Kuss, der nie enden wird, den unendlichen Kuss. Und am Vormittag Kirche, und am Nachmittag Kino. Ich suchte, ja, ich suchte einmal vielleicht sogar das Leben. Aber ich glaube, ich habe nur die Ferne von daheim gesucht. Die Ferne vom Verbot“.
Sloterdijk schreibt, „Für den, der wirklich sieht, ist das Auge ein Ohr des Lichts“.
Ich wollte mit dieser eher unauffälligen und sehr persönlichen Arbeit, eingedenk all des Leids und der Klagen über Geschichte und Geschichten, an die lebendige Kraft der Liebe erinnern.
Michael Pilz, Wien, 6. September 2004